Künstlerische Intelligenz schlägt Künstliche Intelligenz – Statement des Hörfilm e.V. zu KI
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) in Kraft. Was vorher Europäische Richtlinie war, der European Accessibility Act, wird somit verbindlich. Ab jetzt müssen bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein. Ein längst überfälliger Schritt hin zu einer inklusiveren Gesellschaft.
Unternehmen suchen dabei nach kostengünstigen Lösungen. Um zum Beispiel ihre auf Webseiten gestellten Videos für Blinde und Sehbehinderte zugänglich zu machen, kommt KI zum Einsatz. Aber die Vorstellung, KI könne auch eine gute, günstige und personalsparende Lösung für die Audiodeskription von Filmen sein, teilen wir nicht. Wir haben gemeinsam mit Software-Entwicklern getestet und technologieoffen recherchiert. Die bisherigen Ergebnisse entsprechen nicht den professionellen Ansprüchen des Hörfilm e.V.: Sie sind ungenau, teilweise gar kurios.
Filmbeschreibung auf Knopfdruck?
Bei Fotos oder Standbildern liefert die Künstliche Intelligenz recht passable Ergebnisse. Auch in der Recherche oder bei der Videozusammenfassung ist sie hilfreich. Aber bei der Analyse und Beschreibung komplexer Filmsequenzen scheitern alle derzeit verfügbaren Tools.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist KI nicht in der Lage, bewegte Bilder wahrheitsgetreu zu beschreiben. Sie erfasst weder die Intention eines Films, noch versteht sie die Komplexität eines Filmgeschehens und dessen Emotionalität. Künstliche Intelligenz erkennt keine emotionalen Ambivalenzen in der Darstellung, wie z. B. den Unterschied zwischen einem aufrichtigen und einem hinterhältigen Lächeln. Sie kann Wichtiges nicht von Unwichtigem trennen. Manchmal erfindet sie sogar Bilder, sie „halluziniert“. Das heißt: Blinden und sehbehinderten Menschen wird ein falsches Bild präsentiert, das nur durch den gemeinsamen Abgleich mit Sehenden richtiggestellt werden kann. KI kann sich nicht in die Perspektive blinder Menschen hineinversetzen, ihr fehlt Kreativität und Kunstverständnis.
Unser Fazit: Künstlerische Intelligenz schlägt Künstliche Intelligenz
KI kann menschliche Autorschaft nicht ersetzen. Sie ist momentan auch nicht hilfreich bei der Skripterstellung. KI ist als Werkzeug willkommen, sofern sie unsere Arbeit sinnvoll unterstützt und Blinden ein selbstständigeres Arbeiten ermöglicht. In absehbarer Zeit ist es jedochnicht vorstellbar, dass eine Filmbeschreibung durch Künstliche Intelligenz den Qualitätskriterien genügt, die wir als Hörfilm e.V. gemeinsam mit den Landesrundfunkanstalten und der Filmförderungsanstalt entwickelt haben. Abgesehen von der Frage nach der technischen Machbarkeit stellt sich für uns die Gretchenfrage: „Wollen wir das?“ Hier schließen wir uns der Bewertung durch den Deutschen Ethikrat an:
„Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern. KI darf den Menschen nicht ersetzen.“
In diesem Sinne wollen wir, Hörfilm e.V., auch in Zukunft eine von Menschen gemachte Audiodeskription, an der fachlich geschulte Blinde und Sehende arbeiten.